In Bahnhofsmissionen: Sorgenvoller Blick auf den Winter
München. Erschöpft, verunsichert, erschüttert: Die Corona-Pandemie führt auch Mitarbeitende der bayerischen Bahnhofsmissionen an ihre Grenzen, hieß es jetzt bei der Regionaltagung der größtenteils ökumenisch geführten Hilfeeinrichtungen. Mit verlässlichen Schutz- und Hygienekonzepten und einem guten Austausch versuchen Leitungen und Trägerverbände dabei zu helfen, mit dieser Ausnahmesituation umzugehen.
„Unsere Kolleginnen sind hochmotiviert und mutig“, sagen Bettina Spahn und Barbara Thoma von der Bahnhofsmission München, „viele sind aber auch am Limit.“ Acht Monate Dienst unter bis dato nicht gekannten, schwierigen Bedingungen haben ihre Spuren hinterlassen. Als zu Beginn der Pandemie gar nichts mehr ging, waren Mitarbeitende der Bahnhofsmissionen zur Stelle. "Wir sind für Euch da" - mit diesem Versprechen und großem Engagement begleiteten sie Menschen in Not durch den Shutdown im Frühjahr – und durch den Sommer. Daran soll sich auch im kommenden Teil-Lockdown nichts ändern. „Die Arbeit ist anstrengend geblieben“, so das Münchner Leitungsteam, „und die Aussichten auf den Winter sind belastend, eine Rückkehr zur Normalität ist in weiter Ferne.“ Die Kontaktzahlen haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Im September waren es 17.000. Viele Gäste kommen ein- oder mehrmals täglich zur Münchner Bahnhofsmission. Auch in manchen anderen bayerischen Bahnhofsmissionen sind die Zahlen gestiegen.
Die Trägerverbände nehmen die Entwicklungen sehr ernst. Die Sicherheit der Mitarbeitenden und der Gäste hat oberste Priorität für die Verantwortlichen. „Dies bedeutet, dass sowohl die Hilfeangebote der Bahnhofsmissionen wie auch die Arbeit in den haupt- und ehrenamtlichen Teams permanent den Schutzmaßnahmen neu angepasst werden müssen“, betont Hedwig Gappa-Langer, die im Auftrag des Caritas-Fachverband IN VIA Bayern die Regionaltagung der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen mitorganisiert. Der kollegiale Austausch mit Abstand oder die Hilfeleistung mit Maske seien selbstverständlich, werfen aber bewährte Arbeitsmuster durcheinander, ergänzt ihr evangelischer Kollege Harald Keiser von der Diakonie Bayern, „damit muss man erst zurechtkommen. Und das ist anstrengend.“ Außerdem wäre eine derartige Belastung leichter auszuhalten, „wenn man weiß, wie lange sie dauert.“
Die 13 Bahnhofsmissionen im Freistaat laufen nach wie vor im Krisenmodus. Wegen der räumlichen Enge bleiben vielerorts die Aufenthaltsräume geschlossen oder sind nur eingeschränkt nutzbar. Da die Mitarbeitenden aber nicht nur eine Notverpflegung bieten wollen, versuchen sie – so gut es unter den Umständen eben geht – mit den Hilfesuchenden ins Gespräch zu kommen, um Einsamkeit oder Verzweiflung zu lindern.
Bahnhofsmissionen sind für viele Menschen ein wichtiger Ort der Ruhe und der Wertschätzung, an dem keine Anforderungen gestellt werden. Hedwig Gappa-Langer blickt daher mit Sorge auf den November-Lockdown und den Winter: „Wo sollen beispielsweise Menschen ohne Obdach sich tagsüber aufwärmen oder neue Kraft tanken?“
(Text: Annette Bieber)