FGM/C-Fachtag: Helfen auf Augenhöhe
München. Im Kampf gegen die weibliche Genitalbeschneidung braucht es mehr als ein Verbot. Um FGM/C (englisch: Female Genital Mutilation/Cutting, kurz FGM/C) nachhaltig zu verhindern, braucht es zudem mehr Öffentlichkeit, eine bessere Aufklärung sowie die Sensibilisierung all jener, die mit (potentiellen) Opfern berufsmäßig in Kontakt kommen können. Wichtig ist ebenso die Vernetzung bereits bestehender Hilfsangebote – und natürlich Geld. Das machte der Online-Fachtag des Frauenverbandes IN VIA Bayern e.V. am 6. Oktober zum Thema sehr deutlich.
Rund 350 Fachkräfte – von Schwangerschaftsberatenden, Hebammen bis zu Migrationsberater*innen und Lehrer*innen – beschäftigten sich dabei in Vorträgen und Workshops mit Fragen rund um die weibliche Genitalbeschneidung. Laut wurde dabei immer wieder der Wunsch nach besonders ausgebildeten Sprach- und Kulturmittler*innen, die mit ihrem Wissen eine wichtige Verbindungsstelle zwischen Betroffenen, Einrichtungen und Fachkräften darstellen können.
„Es gibt noch viele Lücken zu füllen“, sagte die gebürtige Somalierin Fadumo Korn (NALA e.V./Donna Mobile AKA e.V.), die sich seit Jahrzehnten stark macht gegen FGM/C, im Videointerview. Dazu gehört für sie nicht nur die Schulung von medizinischem Fachpersonal, von Pädagog*innen oder Mitarbeiter*innen in Asylverfahren, sondern auch der kultursensible Umgang mit betroffenen Frauen und Mädchen und ihre rechtli-che Aufklärung. „Wir müssen die Politik in die Verantwortung nehmen“, so Fadumo Korn.
Sozialministerin Carolina Trautner, die als Schirmherrin den Fachtag mit-eröffnete, hat für diese Anliegen ein offenes Ohr. „Genitalverstümmelung darf kein Tabuthema mehr sein“, betonte die Ministerin, „es muss mehr für Opfer und Gefährdete getan werden.“ Dafür sei im Frühjahr in Bayern das Präventionsnetzwerk gegen weibliche Genitalverstümmelung gegründet worden. „Wir müssen gemeinsam und fraktionsübergreifend unterwegs sein“, so Trautner, „um unserer Aufgabe gerecht zu werden, müssen wir weit denken, Kräfte bündeln und vernetzen.“
Wie der Kampf gegen FGM/C gelingen kann, wurde auch im abschließenden Podiumsgespräch diskutiert. Dabei machte Gwladys Awo, 1. Vor-sitzende des Vereins Lessan e.V., deutlich, dass gerade kleinere Verbän-de und Aktivist*innen in Communities, die bereits in diesem Bereich aktiv sind, finanziell gestärkt werden müssten, „sie sitzen an der Quelle.“ Awo warnte gleichzeitig davor, „nur“ gegen FGM/C agieren zu wollen. Um be-troffene Frauen zu erreichen und zu unterstützen, brauche es vor allem deren berufliches Empowerment, „man muss ihnen eine Ausbildung bieten, damit sie eine Perspektive haben und drängende existentielle Prob-leme lösen können.“ Frauen bräuchten mehr Entscheidungsmacht und wirtschaftliche Unabhängigkeit, wenn sie sich z.B. gegen die Beschneidung der Töchter aussprechen und damit vielleicht den Bruch mit der Familie riskieren. Auch müsse sich in den Asylverfahren einiges tun. So sollte bei Nachzug der Frau beispielsweise eine vom Ehemann unabhängige Aufenthaltserlaubnis möglich sein.
Dass für eine nachhaltige Arbeit gegen FGM/C dauerhaft Geld in die Hand genommen werden muss, machte auch die Gesundheitswissen-schaftlerin Prof. Dr. Nicole Schmidt von der Katholischen Stiftungshoch-schule München deutlich. Für sie ist es z.B. wichtig, Multiplikator*innen aus dem Ehrenamt in eine bezahlte Beschäftigung zu holen, das Thema in die medizinische Ausbildung aufzunehmen und die unterschiedlichen Professionen zu vernetzen.
Dr. Christine Nischler-Leibl (Leiterin der Abteilung „Frauenpolitik, Gleich-stellung und Prävention“ im Sozialministerium) sicherte zu, die Finanzie-rung der FGM/C-Projekte längerfristig zu planen als über das kommende Jahr hinaus. Sie möchte auch in Zukunft die Vernetzungsarbeit begleiten und fördern – wie sie auch durch Runde Tische vor Ort umgesetzt wird.
IN VIA Bayern, „als Landesverband mit vielen Gremien verknüpft und als Frauenverband in der Migrationsarbeit nah am Thema dran“, wird laut Ge-schäftsführerin Rita Schulz weiterhin als Partner zur Verfügung stehen. Der aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales geförderte Fachtag soll im kommenden Jahr beispielsweise in Würzburg weitergeführt werden. Außerdem ist ein Projekt geplant, das – wie von Gwladys Awo gefordert - Migrantinnen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützen soll.